Biarritz – Ein Wochenende zwischen Atlantikwellen und Geschichte
Biarritz – Ein Wochenende zwischen Atlantikwellen und GeschichteInhaltsverzeichnis
Freitag – Ankommen am Atlantik
Der Zug rollt langsam in den Bahnhof von Biarritz. Kein großer Bahnhof, eher ein Zwischenstopp mit Meergeruch. Noch bevor ich aussteige, spüre ich diese feuchte Luft, die nach Salz und etwas Unspezifischem riecht – vielleicht Tang, vielleicht einfach nur Atlantik.
Ich gehe zu Fuß zum Hotel. Fünf Minuten durch eine ruhige Straße, vorbei an Häusern mit hellen Fassaden und grün gestrichenen Fensterläden. Manche sind frisch renoviert, andere haben abblätternde Farbe – was hier nicht stört, sondern passt.
Am Ende der Straße: das Meer. Kein schüchterner Anblick, sondern ein offenes, breites Panorama. Die Grande Plage liegt vor mir, als würde sie sagen: Willkommen, aber komm klar, ich bin kein Postkartenstrand. Der Wind ist stärker als erwartet. Surfer sitzen wie kleine schwarze Punkte draußen im Wasser, warten auf ihre Welle.
Ich setze mich auf eine Bank an der Promenade. Neben mir ein älteres Paar, das wortlos den Wellen zuschaut. Er trägt eine Baskenmütze, sie eine dicke Strickjacke. Keine Eile, keine Ablenkung – als wären sie jeden Tag hier.
Der Hunger treibt mich in eine kleine Bar. Kein Menü in zehn Sprachen, kein Dekor für Instagram. Stattdessen: ein paar Tische, eine Kreidetafel mit „Café crème“ und „Tartine au jambon“. Ich bestelle beides. Der Kaffee ist stark, der Schinken salzig, das Brot knusprig – nichts Weltbewegendes, aber genau richtig in diesem Moment.
Später laufe ich die Küste entlang Richtung Port des Pêcheurs, den kleinen Fischerhafen. Enge Stege, bunte Boote, ein paar Katzen, die zwischen den Netzen herumschleichen. Aus einer Hütte kommt der Geruch von gegrilltem Fisch.
Als die Sonne untergeht, färbt sich der Himmel orange, dann rosa, dann fast lila. Ich bleibe noch lange sitzen, bis das Licht fast weg ist. Zurück im Hotel höre ich das Meer durch das gekippte Fenster. Einschlafen fällt leicht.
Samstag – Spazieren durch die Geschichte
Der Morgen beginnt mit dem Geruch von Baguette und Kaffee, der durchs offene Fenster zieht. Ich beschließe, heute die Stadt zu Fuß zu erkunden. Erster Stopp: der Rocher de la Vierge. Der Steg dorthin ist schmal, das Geländer kalt vom Wind. Unter mir schlagen Wellen gegen die Felsen, Gischt spritzt hoch. Die Marienstatue steht still, als würde sie das Meer schon ewig beobachten.
Von hier oben sehe ich Biarritz als eine Collage: neoklassizistische Villen neben kantigen Apartmentblöcken, dazwischen Gärten mit Palmen. Ich gehe weiter zum Musée de la Mer, einem Aquarium und maritimen Museum. Drinnen drängen sich Familien vor den Becken – Kinder kleben mit Nasen an der Scheibe, verfolgen bunte Fische und Rochen.
Mittags führt mich der Hunger zu den Halles de Biarritz, dem Markt. Unter dem großen Dach reihen sich Stände mit Käse, Austern, frischem Gemüse. Eine Frau bietet mir einen kleinen Löffel Piment d’Espelette zum Probieren an – ein Gewürz aus der Region, scharf und warm zugleich. Ich nehme ein paar Gläser mit.
Zum Essen setze ich mich an einen Tresen im Markt. Austern, ein Stück Zitrone, ein Glas Weißwein aus dem Baskenland. Um mich herum ein ständiges Kommen und Gehen: Ein Koch in weißer Jacke kauft Kräuter, ein Mann mit Surfbrett unter dem Arm holt sich ein Sandwich.
Am Nachmittag schlendere ich durch Nebenstraßen. In einer kleinen Buchhandlung bleibe ich hängen – der Besitzer empfiehlt mir einen Roman eines baskischen Autors, den ich nicht kenne. Später sitze ich mit dem Buch auf einer Bank am Plage du Port Vieux, einem kleinen, geschützten Strand. Kinder spielen im flachen Wasser, während draußen die großen Wellen ungeduldig rollen.
Abends gehe ich zum Hôtel du Palais. Nicht hinein, nur davor entlang. Früher war es die Sommerresidenz von Kaiserin Eugénie, heute ein Luxushotel. Die Fassade leuchtet im letzten Sonnenlicht. Ich stelle mir vor, wie hier vor 150 Jahren Kutschen vorgefahren sind.
Zurück im Hotel fühle ich mich angenehm müde. In den Beinen steckt der Tag, im Kopf eine Mischung aus salziger Luft, Farben und Stimmen. Morgen geht’s schon wieder heim – aber noch nicht. Erst noch ein letzter Morgen am Meer.
Sonntag – Abschied mit salziger Haut
Noch einmal ins Wasser, auch wenn es kalt ist. Ich stehe am Rand, die Füße im nassen Sand, und warte auf den richtigen Moment. Die Sonne ist noch tief, das Licht bricht sich an den kleinen Wellenkämmen. Zwei Surfer paddeln hinaus, schweigend. Ich atme tief ein, laufe los, tauche unter. Sofort kriecht die Kälte unter den Neopren (den ich diesmal ausgeliehen habe, weil gestern die Lippen schon blau waren).
Nach ein paar Minuten ist die Kälte fast egal. Der Körper gewöhnt sich, das Herz schlägt im Rhythmus der Wellen. Das Salz auf den Lippen schmeckt wie eine Mischung aus Metall und Sommer. Ich lasse mich treiben, schaue zurück auf die Promenade, wo ein paar Frühaufsteher mit Hunden spazieren.
Zurück am Strand, barfuß, spüre ich den feinen Sand zwischen den Zehen. Er klebt an den Fußknöcheln, mischt sich mit kleinen Muschelsplittern. Ich laufe langsam, weil ich weiß, dass das mein letzter Gang hier für eine Weile ist. Am Rand steht ein älterer Mann und flickt ein Netz. Wahrscheinlich nur ein Dekorationsstück für den Touristenkitsch, denke ich zuerst. Aber dann sehe ich die festen, geübten Bewegungen, und es wird klar: der weiß, was er da tut.
Im Hotel riecht es nach Kaffee und Croissants. Ich lege das Surfbrett zurück, dusche kurz, und packe meine Tasche. Immer dieser merkwürdige Moment: Alles, was man die letzten Tage gebraucht hat, verschwindet wieder in einer Tasche, als hätte es nie hier gelebt.
Auf dem Weg zum Bahnhof gehe ich noch einmal über den Platz vor den Halles de Biarritz. Die Händler bauen schon ab. Ein Mann verkauft die letzten Austern günstiger, eine Frau wickelt Käse in dickes Papier. Ich kaufe ein kleines Stück Schafskäse – nicht, weil ich Hunger habe, sondern um den Geruch noch ein bisschen mitzunehmen.
Der Bahnhof von Biarritz ist kein Ort, an dem man sich lange aufhält. Eher funktional, ein paar Bänke, ein Café, das mehr nach Automat schmeckt als nach Bohne. Ich setze mich trotzdem. Gegenüber sitzt eine Familie mit großen Koffern, die Kinder essen Chips zum Frühstück. Neben mir ein junger Mann, der in einem Notizbuch schreibt.
Während ich auf den Zug warte, kommen die Bilder der letzten Tage durcheinander. Kein klarer Film, eher lose Polaroids:
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Das Gesicht eines alten Fischers am Kai, braungebrannt, mit diesen tiefen Falten, die nicht von Sorgen kommen, sondern von Sonne und Wind.
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Der Geruch von Algen in einer windstillen Ecke hinter den Felsen, so intensiv, dass er fast süßlich wird.
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Die Stille in den Straßen am späten Nachmittag, wenn selbst der Wind eine Pause macht.
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Das Geräusch der Brandung in der Nacht, weit weg und trotzdem so nah, dass es durch das geschlossene Fenster drang.
Ich denke daran, wie schnell man als Reisender dazu neigt, Orte „abzuhaken“. Man war da, hat ein paar Fotos gemacht, kann es abhaken wie einen Punkt auf einer Liste. Biarritz wehrt sich dagegen. Vielleicht, weil es keine einheitliche Postkartenästhetik hat. Zu viele Gegensätze: mondäne Hotels und rostige Geländer, teure Boutiquen und bröckelnde Fassaden, Surfshops neben Konditoreien mit schwerem Samtvorhang.
Ein Mann mit Baskenmütze läuft vorbei, eine Zeitung unter dem Arm, den Hund an der Leine. Alles sieht so beiläufig aus, als wäre es eine Szene aus einem Film, der hier jeden Tag gespielt wird.
Ich schaue auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten. Ich könnte jetzt versuchen, ein Fazit zu ziehen, aber das fühlt sich falsch an. Biarritz war für mich an diesem Wochenende kein „Erlebnis“, das man in drei Sätzen zusammenfassen kann. Eher eine Reihe kleiner Begegnungen, Gerüche, Lichter, Geräusche.
Der Zug fährt ein, quietschend. Ich steige ein, finde meinen Platz am Fenster. Der Blick zurück ist kurz – ein Bahnsteig, ein paar Menschen, ein Stück Himmel. Dann rollen wir los, vorbei an grünen Hügeln, auf denen Schafe wie verstreute Wattebäusche stehen.
Ich denke: Ich werde wiederkommen. Nicht, weil ich „noch nicht alles gesehen“ habe – das wird man sowieso nie. Sondern weil dieser Ort im Kopf bleibt, ohne zu drängen. Wie eine leise Melodie, die man nicht loswird.
Und während der Atlantik langsam hinter den Hügeln verschwindet, schmecke ich noch das Salz auf den Lippen.
Historischer Überblick zu Biarritz
Biarritz war lange ein unscheinbares Fischerdorf, bekannt für den Walfang. Ab dem 19. Jahrhundert änderte sich alles, als Kaiserin Eugénie, die Ehefrau von Napoleon III., hier eine Sommerresidenz bauen ließ. Die mondäne Gesellschaft folgte – Adelige, Künstler, später wohlhabende Reisende aus ganz Europa.
Die Stadt entwickelte sich schnell: Luxushotels wie das heutige Hôtel du Palais entstanden, Strandpromenaden wurden angelegt, und das Meer blieb dabei immer der eigentliche Hauptdarsteller. Heute ist Biarritz ein seltsames, aber funktionierendes Gemisch aus Surfer-Hotspot, Kurort und Ferienziel für Familien.
Wer tiefer eintauchen will, findet weitere Infos im Abschnitt Samstag – Spazieren durch die Geschichte oder direkt beim Wochenmarkt Les Halles, der nicht nur kulinarisch spannend ist.
Häufige Fragen zu Biarritz
Wann ist die beste Reisezeit für Biarritz?
Die meisten Besucher kommen zwischen Mai und September, wenn das Wetter warm und sonnig ist. Surfer bevorzugen oft den Herbst, weil die Wellen dann höher sind.
Wie viele Tage sollte man in Biarritz einplanen?
Für ein Wochenende lassen sich die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gut erkunden. Wer auch die Umgebung entdecken will, sollte drei bis vier Tage bleiben.
Welche Sehenswürdigkeiten in Biarritz sollte man nicht verpassen?
Grande Plage, Rocher de la Vierge, der Markt Les Halles und Spaziergänge entlang der Küstenpromenade gehören zu den Highlights.
Kann man in Biarritz gut surfen?
Ja – Biarritz ist eines der bekanntesten Surfziele in Europa. Anfänger finden an der Côte des Basques gute Bedingungen, Profis suchen die großen Wellen am Grande Plage.
Wie kommt man am besten nach Biarritz?
Der Flughafen Biarritz Pays Basque wird von mehreren europäischen Städten angeflogen. Alternativ gibt es Zugverbindungen über Bayonne.
Labels: Biarritz, Wochenende, Baskenland, Frankreich, Reisebericht, Geschichte, Atlantik, Städtereise
Meta-Beschreibung: Ein persönlicher Reisebericht über ein Wochenende in Biarritz – zwischen Atlantikwellen, historischem Erbe und kleinen Alltagsmomenten. Mit Tipps, Geschichte und Eindrücken im Tagebuchstil.
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